Insolvenzverfahren Alt und Jung Nord-Ost e.V.
Das Amtsgericht Bielefeld hat Rechtsanwalt Axel Geese mit Beschluss vom 01.03.2023 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Pflegedienstes „Alt und Jung Nord-Ost e.V.“ ernannt.
Der Verein “Alt und Jung Nord-Ost e.V.“ (nachfolgend: Schuldner) hat etwa Mitte der 90er Jahre das sogenannte Bielefelder Modell entwickelt. Damals noch unter der Bezeichnung „Versorgungssicherheit ohne Betreuungspauschale“. Die Idee war eine Kombination von betreutem Wohnen und einer ambulanten Versorgung. Auch Kunden mit einem hohen Pflegegrad und einem hohen Hilfebedarf sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Pflege und Hilfe in der häuslichen Umgebung zu erhalten und einen Wechsel in eine Einrichtung mit stationärer Pflege zu vermeiden. Hierzu hat der Schuldner Kooperationsvereinbarungen mit Wohnungsbaugesellschaften, wie beispielsweise der BGW, abgeschlossen. In sogenannten Quartieren war der Schuldner mit Mitarbeitenden und Einrichtungen vor Ort und hat z.B. in Wohncafés zusätzliche Leistungen wie Mahlzeiten und Betreuung angeboten, die über die klassische ambulante Pflege weit hinausgehen. In den 90er Jahren etablierte sich hierfür die Bezeichnung „Bielefelder Modell“.
Dabei hat der Schuldner mit zuletzt etwa 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber auch zahlreiche Leistungen erbracht, die von Pflegekassen oder von anderen Trägern nicht refinanziert werden. Zum 01.09.2022 ist dann die sog. Tarifentlohnungspflicht für Pflegekräfte in Kraft getreten (§ 72 Abs. 3 a-g i.V.m. § 82 c SGB XI). Danach dürfen von den Pflegekassen Versorgungsverträge nur noch mit denjenigen Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder der Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, Gehälter zahlen, die in Tarifverträgen vereinbart sind. Soweit der jeweilige Arbeitgeber nicht unmittelbar tarifgebunden ist, hat er sich bei den Löhnen und Gehältern an den in der Branche gültigen Tarifverträgen zu orientieren.
Dies führte bei dem Schuldner schlagartig zu einer massiven Erhöhung der Personalkosten. Diese Mehrkosten waren nicht durch entsprechende Preiserhöhungen gegenüber den Pflegekassen refinanziert. Eine unveränderte Betriebsfortführung war aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen unmöglich.
Daher ist es erfreulich, dass es trotz des sehr schwierigen Umfeldes gelungen ist, die durchgehende Versorgungssicherheit der insgesamt etwa 400 Kunden des Schuldners zu gewährleisten und neue Betreiber für die beiden Geschäftsbereiche des Schuldners zu finden.
Der Bereich „Pflege“, d.h. der Betrieb des ambulanten Pflegedienstes, wurde zum Stichtag 01.04.2023 von der Fa. MellyCox GmbH & Co. KG übernommen und wird von dieser zukünftig fortgeführt.
Bereits vor der Stellung des Insolvenzantrages haben sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schuldners aus dem dortigen Fachbereich „Soziales“ zusammengetan, um einen neuen Verein zu gründen. Der neue Verein „Alt und Jung Soziales e.V.“ wurde inzwischen eingetragen und es besteht Kontakt des Vereins zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bezüglich eines Vertrages für die Erbringung der Leistungen im Bereich Soziales. Hierzu gehören insbesondere die Leistungen der Eingliederungshilfe (EGH). Nach den derzeitigen Planungen soll der Teilbereich „Soziales“ zum Stichtag 01.05.2023 an den neu gegründeten Verein „Alt und Jung Soziales e.V.“ übertragen werden. Bis dahin werden die dortigen Kunden noch von dem Schuldner versorgt, so dass auch hier ein nahtloser Übergang gewährleistet ist.
Mit dem Betriebsrat des Schuldners hat Insolvenzverwalter Geese einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen. Denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche nicht von den neuen Betreibern übernommen wurden bzw. werden, haben das Angebot zum Wechsel in eine Transfergesellschaft erhalten. Der Wechsel in die Transfergesellschaft gibt den Mitarbeitenden zusätzliche Sicherheit und soll ihnen durch Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erleichtern.
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