BGH weist Klagen von Gläubigern griechischer Staatsanleihen ab
Klagen von Gläubigern griechischer Staatsanleihen gegen die Hellenische Republik wegen der Umschuldung im Jahr 2012 sind in Deutschland unzulässig.
Die Kläger machen gegen die Republik Griechenland
Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Entnahme griechischer
Schuldverschreibungen aus ihren Wertpapierdepots geltend.
Die Kläger erwarben in den Jahren 2010 und 2011 über eine deutsche Bank
von der Beklagten begebene ISIN GR Anleihen. In den Anleihebedingungen,
in denen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses)
enthalten waren, wurde bestimmt, dass diese Anleihen griechischem Recht
unterfallen und es sich um dematerialisierte Wertpapiere handelt, die
als Wertrechte ausgegeben werden und im Girosystem der griechischen
Zentralbank registriert sind. Das Girosystem der griechischen
Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer,
die daran nur mit Zulassung durch die griechische Zentralbank
teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des griechischen Gesetzes
2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem bei der Zentralbank
geführten Konto des Teilnehmers übertragen. Da weder die deutsche Bank
noch die Kläger Teilnehmer des Girosystems der griechischen Zentralbank
waren, erwarb die Bank die Anleihen im Auftrag der Kläger auf dem
Sekundärmarkt.
Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes wurde
durch das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 geregelt,
dass Anleihebedingungen nachträglich durch Mehrheitsentscheidungen der
Anleihegläubiger geändert und dann durch Beschluss des Ministerrates der
Republik Griechenland für allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Nach dem Gesetz bewirkt der Ministerratsbeschluss, dass die überstimmte
Minderheit der Anlagegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist.
Anders als die Kläger stimmten die Gläubigerversammlungen dem Angebot
mehrheitlich zu, die Anleihen gegen andere Anleihen mit einem um 53,5 %
verringerten Nennwert und mit längerer Laufzeit umzutauschen. Durch
Ministerratsbeschluss vom 9. März 2012 wurden diese
Mehrheitsentscheidungen allgemeinverbindlich. Sodann wurden die alten
Anleihen eingezogen und die neuen Anleihen in das Girosystem der
griechischen Zentralbank eingebucht. Daraufhin ersetzte die deutsche
Bank die griechischen Anleihen der Kläger im Wege einer Umbuchung durch
die um 53,5 % abgewerteten Titel anderer Stückelung und Laufzeit.
Die Kläger verlangen den Schaden ersetzt, der ihnen durch den Umtausch
der Anleihen entstanden sei. Sie stützen die Klage darauf, dass die
Beklagte deren Ausbuchung gegen ihren Willen durch Anweisung an die
depotführende Bank veranlasst und dadurch Eigentum und Besitz der Kläger
an den Schuldverschreibungen verletzt habe. Das Landgericht hat die
Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen
Erfolg.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision der Kläger zurückgewiesen. Im Streitfall ist die
Klage schon deswegen unzulässig, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht
eröffnet ist. Ihr steht der völkergewohnheitsrechtlich anerkannte
Grundsatz der Staatenimmunität entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG).
Dieser besagt, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler
Gerichtsbarkeit unterworfen ist, weil dies mit dem Prinzip der
souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden
Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht
vereinbar wäre. Staatenimmunität besteht aber grundsätzlich nur für
solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen
Die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen stellt zwar ein
nicht-hoheitliches Handeln dar. Für die Frage der Immunität kommt es
aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf
die Natur der staatlichen Handlung, über deren Berechtigung die Parteien
streiten. Deshalb geht es im Streitfall nicht um die Rechtsnatur der
Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern um die
Rechtsnatur der Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung
der Schuldverschreibungen aus dem Wertpapierdepot der Kläger führten.
Maßgeblich sind insoweit der Erlass des Gesetzes 4050/2012 vom 23.
Februar 2012 und der Beschluss des Ministerrats vom 9. März 2012,
aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger
allgemeinverbindlich wurde. Denn Wirkung gegenüber den Gläubigern, die
wie die Kläger der Änderung der Anleihebedingungen nicht zugestimmt
hatten, entfaltete diese erst durch diese beiden – als hoheitlich
einzustufenden - Maßnahmen. Ohne sie wäre die Mehrheitsentscheidung der
Gläubiger für die überstimmte Minderheit privatrechtlich wirkungslos
geblieben. Der anschließende Umtausch der von den Klägern gehaltenen
Anleihen ist nur eine Folge der sich daraus ergebenden Rechtslage. Der
Grundsatz der Staatenimmunität will gerade die Rechtmäßigkeit der hier
maßgeblichen hoheitlichen Maßnahmen eines anderen Staates verhindern.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 6. Februar 2014 - 2-21 O 332/12
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 18. September 2014 - 16 U 41/14
Karlsruhe, den 8. März 2016; VI ZR 516/14 – Urteil vom 8. März 2016
Wollen Sie umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten zu diesem Verfahren gibt?
Testen Sie kostenfrei und unverbindlich 3 Tage lang diese Funktionalität - zum Beispiel über unser "Risk-Paket" - und wir benachrichtigen Sie, sobald zum Verfahren neue Nachrichten oder neue Beschlüsse vorliegen.