30.09.2020 - Kategorie "Recht und Gesetz"

Restschuldbefreiungsverfahren: Unterstützung für einen Neustart fehlt weiterhin

Schnellere Privatinsolvenz

Gesetzentwurf zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens: Die Verkürzung ist zu begrüßen, aber die Unterstützung für einen Neustart fehlt weiterhin


Die lange erwartete Reform ermöglicht eine verkürzte Restschuldbefreiungsphase von drei statt sechs Jahren. Der VID begrüßt diese Verkürzung ausdrücklich, bemängelt jedoch die fehlende Möglichkeit einer gesicherten Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit für Freiberufler, Einzelkaufleute und Solo-Selbständige. Damit wird die Chance vertan, den durch die Corona-Krise besonders getroffenen Menschen einen echten Neustart zu ermöglichen.

 

In der Öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wird am 30.09.2020 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens behandelt. Der Entwurf sieht eine Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase von sechs auf drei Jahre für alle natürlichen Personen vor. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) begrüßt die Verkürzung sowie die zügige Umsetzung zum 1.10.2020 – nicht nur in Anbetracht des Umgangs mit den Folgen der Corona-Pandemie. Doch er äußert auch Kritik.

 

Keine Differenzierung zwischen Verbrauchern und Unternehmern

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Verbraucher bis zum 30.06.2025 befristet wird. Danach soll das Verfahren evaluiert werden. Das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren für Unternehmer ist davon allerdings ausgenommen: „Eine solche Differenzierung zwischen unternehmerisch tätigen natürlichen Personen, für die eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren ohne Befristung vorgesehen ist, und Verbrauchern, die nach Auslaufen der Befristung regelmäßig erst nach sechs Jahren von ihren Schulden befreit werden sollen, halten wir für rechtlich problematisch“, erklärt Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des VID und Sachverständiger in der Öffentlichen Anhörung am 30.09.2020.

Schon der Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 31.10.2012 führte zur damals viel diskutierten Differenzierung von Unternehmern und Verbrauchern aus, dass es kein sachliches Differenzierungskriterium gibt. „Sowohl Unternehmer als auch Verbraucher haben die zweite Chance verdient“, so Niering.

 

Kritik an der Ausweitung von Versagungen der Restschuldbefreiung wegen der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten

Bislang kann einem Schuldner die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt werden, wenn er bis zu drei Jahre vor dem Insolvenzantrag die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Begründung unangemessener Verbindlichkeiten beeinträchtigt hat – also Schulden macht, die in einem starken Missverhältnis zur eigenen Fähigkeit stehen, diese zurückzuzahlen.

Der Regierungsentwurf sieht nun vor, dass der Schuldner künftig auch in der Wohlverhaltensperiode keine unangemessenen (neuen) Verbindlichkeiten begründen darf. Künftig soll bei Verletzung dieser Obliegenheit die Restschuldbefreiung sogar von Amts wegen versagt werden: Das heißt der Insolvenzrichter verhält sich wie ein strafender Richter.

„Schon im geltenden Recht ist das Tatbestandsmerkmal der „unangemessenen Verbindlichkeiten“ schwer zu fassen. Durch die geplante Neuregelung wird der Unwertgehalt nun auch noch unterschiedlich gewichtet“, erläutert der VID-Vorsitzende. „Während die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten vor Insolvenzeröffnung die Restschuldbefreiung nur auf Gläubigerantrag gefährdet und eine grob schuldhafte Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung voraussetzt, soll das gleiche Verhalten in der Wohlverhaltensperiode nunmehr als „Offizialdelikt“ von Amts wegen verfolgt werden und unabhängig davon, ob die Insolvenzgläubiger einen Nachteil erleiden“, so Niering weiter.

Weshalb die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten in der Wohlverhaltensperiode schwerer wiegen soll als in der Zeit vor Insolvenzeröffnung, ist dem Entwurf nicht zu entnehmen. Zudem ist der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode bei der Schufa gemeldet und hat dadurch wenig Chancen unangemessene Verbindlichkeiten einzugehen.

 

Ein echter Neustart fehlt

Am Ende der wirtschaftlichen Sorgen steht für viele Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler nicht erst seit Corona die Insolvenz. Doch im Regierungsentwurf gibt es keine Vorschriften, die speziell auf den Neustart von Selbständigen und Freiberuflern abzielen. Der Gesetzgeber hat sie nicht mit besonderen Maßnahmen unterstützt und erwartet, dass sich Freiberufler über das voraussichtlich zum 1.1.2021 geplante Präventivverfahren sanieren. „Das Restrukturierungsverfahren ist sehr komplex und für Freiberufler und Soloselbstständige nicht finanzierbar. Es wird sich in der Praxis deshalb nur in wenigen Fällen eignen“, erläutert Niering.

 

Um den Betroffenen zügig eine neue Perspektive zu geben, hat sich der VID bereits im Juni 2020 in einem Schreiben an die Rechtspolitik gewandt und Vorschläge für ein echten Neustart gemacht. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise und den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Verwerfungen für Selbständige ist es zwingend erforderlich, diesen einen schnellen Neustart unter Fortführung ihrer Selbständigkeit zu ermöglichen.

"Der Insolvenzverwalter kann in einem Insolvenzverfahren die Tätigkeit des selbstständig arbeitenden Schuldners freigeben. Bisher macht er das allein unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten. Er entscheidet, ob sich diese Freigabe im Hinblick auf die Insolvenzmasse lohnt", erläutert der VID-Vorsitzende. Kommt es zu einer Freigabe kann der in Insolvenz geratene Selbstständige oftmals bereits am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem freigegebenen Geschäftsbetrieb weiterarbeiten und somit auch außerhalb einer angestellten Tätigkeit einen wirtschaftlichen Neuanfang starten.

 

Es fehlt insoweit jedoch an einem eigenen Antragsrecht für den gescheiterten Selbstständigen und auch an flankierenden Maßnahmen, die eine Fortführung der selbstständigen Tätigkeit rechtlich absichern. Hier bestehen gesetzliche Defizite, welche nun beseitigt werden sollten.

„Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit sollte jetzt gesetzlich konkretisiert und als Anspruch des Betroffenen definiert werden. Die künftig auf drei Jahre verkürzte Phase der Restschuldbefreiung böte den Betroffenen, in Kombination mit der verbesserten gesetzlichen Regelung der Freigabe, die Chance einer krisenbedingten Anpassung und Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage – also einen echten Neustart. Der Gesetzgeber wird jetzt daran gemessen, ob er geeignete Instrumente schafft, die in der Krise weiterhelfen“, sagt Niering.

 


Wollen Sie umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten zu diesem Verfahren gibt?


Testen Sie kostenfrei und unverbindlich 3 Tage lang diese Funktionalität - zum Beispiel über unser "Risk-Paket" - und wir benachrichtigen Sie, sobald zum Verfahren neue Nachrichten oder neue Beschlüsse vorliegen.


Jetzt zur Paketauswahl