Restrukturierungsexperten fordern Maßnahmen zur Schadensbegrenzung
Verlängerung der Insolvenzantragspflicht - Erleichterung der Gesellschafter- und Bankfinanzierung in der Krise
Die aktuelle Entwicklung um die Ausbreitung von Covid-19 und die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Erregers werden erhebliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Viele Unternehmen werden bei ausbleibenden Kundenzahlungen, abrupt einbrechenden Umsätzen und Schwierigkeiten bei der Refinanzierung ihrer Kredite sehr schnell in die Nähe der Insolvenz gedrängt werden. Gleichzeitig werden die Organe bei der Fortführung des Unternehmens erheblichen persönlichen Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt.
Die Bundesregierung hat heute ein Schutzschild für Unternehmen in der Krise vorgestellt, das neben Kurzarbeitergeld und Steuerstundungen einen unbegrenzten Kreditrahmen durch die KfW vorsieht.
Die Gesellschaft für Restrukturierung – TMA Deutschland e.V. (TMA) begrüßt dieses Maßnahmenpakt ausdrücklich. Sie befürchtet allerdings, dass es mit Blick auf die Dynamik der Situation nicht ausreichen wird. Die Restrukturierungexperten fordern daher weitere kurzfristig umsetzbare Maßnahmen, die Unternehmen das wirtschaftliche Überleben ermöglichen und die Unternehmensleiter keinen für diese nicht hinnehmbaren Risiken aussetzen. Im Einzelnen sollte der Gesetzgeber nach Ansicht der TMA folgende Punkte aktiv angehen:
Verlängerung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO
Das deutsche Insolvenzrecht verpflichtet Geschäftsleiter einer Unternehmung, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Verstöße gegen diese gesetzliche Insolvenzantragspflicht sind strafbewehrt und haftungsträchtig. Bereits in der Vergangenheit – etwa bei Flutkatastrophen und der Finanzkrise – hat der Gesetzgeber Insolvenzantragsgründe modifiziert, um jedenfalls temporär die negativen volkswirtschaftlichen Folgen zu mindern und die ohne eigenes Zutun in eine existenzbedrohliche Krise geratenen Unternehmen zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Experten der TMA geboten, den Tatbestand der Überschuldung vorläufig auszusetzen, da es unter den gegenwärtigen Umständen für viele Unternehmen schlichtweg nicht seriös möglich sein wird, eine gerichtsfeste Fortbestehensprognose zu treffen.
Im Fall der Antragspflicht aufgrund bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit ist nach Ansicht der TMA eine Verlängerung dieser Frist von derzeit 21 auf jedenfalls 90 Tage angezeigt, da eine generelle Aussetzung dieser Antragspflicht mit dem Gläubigerschutzgedanken nicht vereinbar wäre. Daraus muss folgen, dass während der verlängerten Antragsfrist auch die Geschäftsleiter für im ordentlichen Geschäftsgang getätigte Zahlungen nicht haften, d.h. es zu keiner Masseschmälerungshaftung der Geschäftsleiter kommt.
Zusätzliche Erleichterung von Finanzierungen in der Krise
Trotz des von der Bundesregierung heute verkündeten Maßnahmenpakets wird es kurzfristig einen erheblichen Finanzierungs- und Refinanzierungsbedarf geben. Dessen Deckung sollte durch weitere befristete, aber unverzüglich in Kraft tretende Maßnahmen erleichtert werden:
Erleichterung der Bereitstellung von Fremdkapital
Finanzierungsmaßnahmen in der Krise können für die finanzierenden Gläubiger haftungsträchtig sein. Die Erstellung von haftungsbegrenzenden Sanierungskonzepten ist zeitaufwändig und teuer. Sie wird singulären Krisenereignissen wie der Covid-19-Pandemie nicht gerecht. Auch die von der Rechtsprechung entwickelte Privilegierungen bieten hier keine ausreichende Rechtssicherheit. Um im Einzelfall gebotene Finanzierungshilfen zu ermöglichen, sollten daher auch Finanzierungsmaßnahmen privilegiert werden, die vor der Beauftragung und Erstellung eines Sanierungskonzepts erfolgen, sofern diese mit dem Ziel einer nachhaltigen Sanierung nach Abklingen der Pandemie erfolgen.
Auch die Geschäfts- oder Hausbanken der betroffenen Unternehmen werden gefragt sein. Diese werden jedoch aufgrund der Covid-19-Pandemie gegebenenfalls selbst in ihren Kreditprüfungs- und Genehmigungsprozessen eingeschränkt sein. Abhilfe könnte neben den vorstehend erwogenen Haftungserleichterungen dadurch geschaffen werden, dass jedenfalls temporär eine Kreditvergabe mit Vorrangstatus (Super Senior) ermöglicht wird.
Aufhebung des Nachrangs für Gesellschafterdarlehen
Es sollten Anreize für kurzfristige Finanzierungshilfen durch die Gesellschafter einer in die Krise geratenen Unternehmung geschaffen werden. Der drohende Nachrang von Gesellschafterdarlehen in einer Insolvenz senkt indes die Bereitschaft der Gesellschafter, ihrem Unternehmen zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Es ist daher angezeigt, den gesetzlichen Nachrang für während der Covid-19-Pandemie gewährte Gesellschafterdarlehen in einer späteren Insolvenz zu suspendieren, sofern die Gesellschafterdarlehen zur Abwendung der direkten oder indirekten Auswirkungen von Covid-19 gewährt werden.
Schnelle und pragmatische Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023
Des Weiteren fordert die TMA, die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen (EU 2019/1023) schnell und pragmatisch in Deutschland umzusetzen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona/Covid-19-Pandemie zeigen die Notwendigkeit eines rechtlichen Rahmens für die Restrukturierung im Vorfeld einer Insolvenz.
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