Neue Regelungen zur Insolvenzanfechtung
Neue Regelungen zur Insolvenzanfechtung: Beruhigungspille mit verzögerter Wirkung – rechtliche Klarheit erst in mehreren Jahren
Der Bundestag hat die Reform der
Insolvenzanfechtung verabschiedet, die für Unternehmen oftmals eine
bittere finanzielle Pille darstellt. Ziel des Gesetzgebers ist, die
Rechtssicherheit für den Wirtschaftsverkehr zu erhöhen und die Risiken
der Insolvenzanfechtung für Unternehmen zu reduzieren. Für die
Wirtschaft ist das Gesetz jedoch – was die beabsichtigte Einschränkung
der Vorsatzanfechtung angeht – zunächst eher eine Beruhigungspille mit
verzögerter Wirkung als ein sofort wirksames Allheilmittel. Ob sich die
neuen Regelungen tatsächlich zur Behandlung eignen, wird sich erst im
Laufe der nächsten Jahre herausstellen. Denn das letzte Wort hat de
facto der Bundesgerichtshof.
„Rechtliche Klarheit wird es erst geben, wenn der Bundesgerichtshof in einigen Jahren die ersten Insolvenzanfechtungsfälle nach dem neuen Recht entschieden hat. Das Gesetz enthält nämlich einige sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe, die zunächst durch die Rechtsprechung konkretisiert – also bestimmt – werden müssen“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra von Schultze & Braun. „Bis der Bundesgerichtshof in einigen Jahren die ersten Insolvenzanfechtungsfälle nach dem neuen Recht entschieden hat, kommen Unternehmen in den meisten Fällen nicht umhin, das Risiko der Anfechtung weiterhin in ihrer Bilanz zu berücksichtigen. Denn sie sind bis dahin dem Risiko ausgesetzt, dass sie am Ende die bereits erhaltene Bezahlung wieder herausgeben müssen und dann letztlich doch auf ihren Forderungen sitzen bleiben.“
Erleichterungen im Tagesgeschäft – trotzdem nicht zu viel versprechen
Die Reform des Anfechtungsrechts bringt in bestimmten Bereichen sicherlich Erleichterungen für die Wirtschaft. Das gilt insbesondere für die rückwirkende Abschaffung der obligatorischen Verzinsung von Geldforderungen ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Positiv ist auch, dass es gelungen ist, die Wiedereinführung des sogenannten Fiskusprivilegs durch die Hintertür zu verhindern. In den letzten Gesetzesentwürfen war noch vorgesehen, Finanzämter und Sozialversicherungsträger bei der Insolvenzanfechtung faktisch zu Lasten aller anderen Gläubiger deutlich zu bevorzugen. „Auch wenn die Reform des Anfechtungsrechts das Tagesgeschäft der Unternehmen in bestimmten Bereichen sicherlich erleichtern wird, sollten sie sich jedoch zunächst nicht zu viel versprechen – gerade mit Blick auf die für Unternehmen besonders risikoreiche Vorsatzanfechtung. Sie wurde vom Gesetzgeber nicht so stark wie von der Wirtschaft gewünscht eingeschränkt“, fasst de Bra zusammen.
Gute Nachricht mit unklarem Umfang
Trotz der rechtlichen Unsicherheit sind die neuen Regelungen für Unternehmen nach Ansicht von de Bra grundsätzlich eine gute Nachricht. „Der Gesetzgeber hat viele Punkte aufgegriffen und verbessert, die Unternehmen behindert oder durch die sie sich bisher großen finanziellen Risiken ausgesetzt haben – zum Beispiel bei der Gewährung von Ratenzahlungen“, erläutert der Spezialist für die Insolvenzanfechtung. „Das Gesetz wird die finanziellen Risiken von Unternehmen durch die Insolvenzanfechtung sicherlich mindern. Fraglich ist nur, in welchem Umfang. Denn das hängt vor allem vom BGH und nicht nur vom Wortlaut der gesetzlichen Regelungen ab.“
Verkürzung ja, aber nur für Ausnahmefälle
Die Verkürzung der Frist für die sogenannte Vorsatzanfechtung im Falle von Deckungs- oder Sicherungshandlungen bewertet de Bra dabei als nicht so bedeutend, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag. „Die Verkürzung der Anfechtungsfrist von zehn auf vier Jahre wird im Geschäftsalltag der meisten Unternehmen in der Regel keine Rolle spielen“, sagt de Bra. „Denn in der Praxis wurden auch bisher nur in Ausnahmefällen Zahlungen aus Geschäften angefochten, die mehr als vier Jahre vor dem Insolvenzantrag getätigt wurden. Aber immerhin wissen Unternehmen jetzt bereits nach vier und nicht erst nach zehn Jahren, dass sie ihre Zahlung definitiv behalten dürfen.“ Wenn das Unternehmen von seinem Kunden eine Zahlung erhalten hat und wusste, dass der Kunde bei der Zahlung bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war – unter Umständen etwa schon dann, wenn die Rechnung nicht pünktlich bezahlt wurde – konnten Insolvenzverwalter diese Zahlungen vor der Reform bis zu zehn Jahre zurückfordern. Mit den neuen Regelungen wurde diese Frist auf vier Jahre verkürzt.
Über Schultze & Braun
Schultze & Braun ist ein führender
Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung von Unternehmen in
der Krise. Mit rund 650 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten in
Deutschland und im europäischen Ausland vereint Schultze & Braun als
einer der wenigen Anbieter juristischen und betriebswirtschaftlichen
Sachverstand unter einem Dach. Schultze & Braun unterstützt
Unternehmen regional, national und international in allen Sanierungs-
und Restrukturierungsfragen, führt sie durch Krise und Insolvenz oder
zeigt, wie sich Insolvenzen vermeiden lassen. Darüber hinaus berät und
vertritt Schultze & Braun Mandanten in Fragen der klassischen
Unternehmens-, Rechts- und Steuerberatung.
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