Kabinett beschließt Neuregelung der Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht
Insolvenzsicherung soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen
Das Bundeskabinett hat den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften beschlossen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:
„Nach geltendem Recht können Kundengeldabsicherer, die bei Pauschalreisen Insolvenzschutz bereitstellen, ihre Haftung für die von ihnen in einem Geschäftsjahr insgesamt zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro begrenzen. Die Insolvenz der deutschen Töchter des Thomas-Cook-Konzerns hat gezeigt, dass die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung zu Unsicherheit führt und die Gefahr begründet, dass Reisende nicht so entschädigt werden, wie es das EU-Recht vorsieht. Dem wollen wir mit einer Neuregelung der Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht effektiv begegnen. Wir berücksichtigen dabei, dass sich die Liquiditätslage der Reiseveranstalter durch die COVID-19-Pandemie erheblich verschlechtert hat und die Gefahr von Insolvenzen deutlich gestiegen ist. Künftig soll die Insolvenzsicherung über einen Reisesicherungsfonds erfolgen, in den die Reiseveranstalter einzahlen. Für Kleinstunternehmen soll es Ausnahmen geben. Zugleich wird die derzeitige Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung pro Geschäftsjahr auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, gestrichen. Es wird stattdessen eine Haftungsbegrenzung auf 22 Prozent des Jahresumsatzes des jeweils abzusichernden Reiseveranstalters ermöglicht. Diese Kennziffer bildet den zu erwartenden Maximalverlust ab und stellt damit sicher, dass die Reisenden umfänglich entschädigt werden.“
Mit dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf soll das Insolvenzsicherungssystem für Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen grundsätzlich neu geregelt werden. Die Neuregelung sieht u. a. folgende Eckpunkte vor:
Insolvenzsicherung über einen Reisesicherungsfonds
Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen. Für Kleinstunternehmen mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz von weniger als 3 Millionen Euro und für Vermittler verbundener Reiseleistungen bleibt eine Absicherung außerhalb des Fonds, beispielsweise mittels einer Versicherung oder Bürgschaft, zulässig. Für alle anderen Reiseanbieter – also für Reiseveranstalter mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz ab 3 Millionen Euro – gilt, dass diese einen Absicherungsvertrag mit dem Reisesicherungsfonds abschließen müssen. Voraussetzung ist wie nach geltendem Recht, dass der jeweilige Reiseveranstalter gesetzlich zur Insolvenzsicherung verpflichtet ist. Das ist der Fall, wenn er Vorauszahlungen fordert oder annimmt und/oder der Pauschalreisevertrag eine Rückbeförderung des Reisenden umfasst. Der Reisesicherungsfonds gewährleistet dann im Verhältnis zum Reisenden die Erfüllung der Pflichten des Reiseveranstalters zur Erstattung der Vorauszahlungen und zum Rücktransport der Reisenden.
Fondsvermögen
Der Regierungsentwurf sieht vor, dass das Fondsvermögen die Insolvenz des umsatzstärksten Reiseanbieters sowie eines weiteren Reiseanbieters mittlerer Umsatzgröße abdecken muss. Es müssen jedoch immer mindestens 15 Prozent des Gesamtmarktes abgedeckt sein. Liegt die Summe der Marktanteile des größten und des mittleren Reiseanbieters darunter, ist die Mindestabdeckung von 15 Prozent maßgeblich. Der mögliche Maximalverlust im Insolvenzfall wird mit 22 Prozent des Umsatzes angenommen, den ein abgesicherter Reiseanbieter mit Pauschalreisen oder der Vermittlung verbundener Reiseleistungen erzielt. Das Fondsvermögen wird aus den Entgelten der Reiseanbieter gebildet. Während der Aufbauphase gilt dies uneingeschränkt, ab 2027 kann ein Viertel des erforderlichen Kapitals auch durch eine unwiderrufliche Kreditzusage gebildet werden. Insgesamt – einschließlich der Sicherheitsleistungen – soll der Fonds bis Ende 2026 über ein Zielkapital-Volumen von 750 Millionen Euro verfügen. Die Höhe der Entgelte ist vom Fonds entsprechend festzusetzen, sie muss in der Aufbauphase aber mindestens 1 Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter betragen. Der Staat sichert den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kredit ab, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31. Dezember 2026 und deckt die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten und dem Zielkapital ab.
Sicherheitsleistung
Der Reisesicherungsfonds kann als Voraussetzung für den Abschluss eines Absicherungsvertrages verlangen, dass der Reiseanbieter eine individuelle Sicherheitsleistung stellt. Diese kann in Form einer Versicherung oder Bankgarantie (jeweils zugunsten des Fonds) beigebracht werden. Sie beträgt in der Aufbauphase des Fonds (bis Ende 2026) pauschal mindestens 7 Prozent des Jahresumsatzes. Nach Ende der Aufbauphase entscheidet grundsätzlich der Fonds über die Höhe der Sicherheiten. Vorgaben für Mindest- und Höchstsätze der Sicherheitsleistung können jedoch bei Bedarf per Verordnung geregelt werden. Die gestellte Sicherheit wird im Insolvenzfall vorrangig verwertet, erst anschließend wird – falls nötig – auf das Fondsvermögen zugegriffen, um die Reisenden zu entschädigen.
Aufsicht und Governance
Die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds wird zunächst das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übernehmen. Im Regierungsentwurf ist eine Übertragungsmöglichkeit der Aufsicht auf das Bundesamt für Justiz vorgesehen. Daneben soll auch durch eine Einbindung der wesentlichen Interessengruppen (Bund und Länder, Verbraucher, Reiseanbieter) eine strikte Governance gewährleistet werden. Der Regierungsentwurf sieht dazu einen Beirat vor, der die Geschäftsleitung des Fonds unterstützt und berät.
Übergang zum neuen System
Der Fonds soll möglichst ab dem 1. November 2021 zum alleinigen Absicherer von Reiseveranstaltern (mit der dargelegten Ausnahme für Kleinstunternehmen) werden. Der konkrete Zeitpunkt wird durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Gestaltung des Übergangs im Einzelnen bedarf noch näherer Erörterung und Prüfung.
Streichung der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro
Die bisherige Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, wird durch eine Änderung des § 651r BGB gestrichen. Künftig kann die Insolvenzsicherung nur noch auf 22 Prozent des Umsatzes des jeweils abgesicherten Reiseanbieters begrenzt werden. Diese Möglichkeit der Begrenzung ist erforderlich, um den beteiligten Versicherern eine Kalkulation des maximalen Risikos zu ermöglichen. Gleichzeitig ist der Prozentsatz so ausreichend bemessen, dass die abgesicherte Summe im Insolvenzfall alle zu erwartenden Schäden abdeckt.
Der Regierungsentwurf wird nun dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet und nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag übermittelt.
Wollen Sie umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten zu diesem Verfahren gibt?
Testen Sie kostenfrei und unverbindlich 3 Tage lang diese Funktionalität - zum Beispiel über unser "Risk-Paket" - und wir benachrichtigen Sie, sobald zum Verfahren neue Nachrichten oder neue Beschlüsse vorliegen.