09.10.2020 - Kategorie "Statistik"

Insolvenzzahlen weiter auf Talfahrt

Tiefstand bei den eröffneten Unternehmensinsolvenzverfahren

Das Statistische Bundesamt prognostiziert heute für den Monat September 2020 einen anhaltenden Tiefstand bei den eröffneten Unternehmensinsolvenzverfahren


Die ab dem 1. Oktober wieder geltende Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen wird an diesem Trend kurzfristig noch nichts verändern. Für das Jahr 2021 werden steigende Insolvenzzahlen erwartet. Fraglich ist nach Einschätzung vieler Experten, ob die beabsichtigten Reformvorhaben des Justizministeriums diesen Anstieg werden abbremsen können.

 

In seiner heutigen Pressemitteilung* veröffentlicht das Statistische Bundesamt die aktuellen Insolvenzzahlen und zeigt auch eine Prognose für den September 2020. Destatis prognostiziert 34,5 % weniger eröffnete Unternehmensinsolvenzverfahren im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Hintergrund für die niedrigen Zahlen ist bislang die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die für pandemiebedingt überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Unternehmen bis zum 31.12.2020 verlängert wurde sowie eine deutliche Zurückhaltung öffentlicher Gläubiger bei der Stellung sog. Fremdanträge.

 

In über 90 % aller Fälle tritt die Insolvenz aufgrund der Zahlungsunfähigkeit ein. Ab dem 1. Oktober müssen deshalb die Mehrzahl der insolventen Unternehmen wieder Insolvenz anmelden. Anzeichen für eine deutlich erhöhte Zahl an Anträgen sieht der Berufsverband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) bisher aber nicht. „Wir rechnen nicht unmittelbar mit einem starken Anstieg der Insolvenzzahlen. Viele Unternehmer warten ab und hoffen noch auf weitere Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung. Einen deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen werden wir wohl erst zum Jahresbeginn sehen“, erklärt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des VID.

 

Der Gesetzgeber arbeitet derzeit mit Hochdruck an zwei Reformvorhaben, die zum einen bei Privatpersonen die Dauer des Insolvenzverfahrens auf drei Jahre reduzieren und bei Unternehmen durch ein Restrukturierungsverfahren Insolvenzen gänzlich vermeiden sollen. „Grundsätzlich sind die Reformvorhaben zu begrüßen und zum Teil auch längst überfällig. Aber sie werden in ihrer jetzigen Form weder mittelständischen Unternehmen noch Selbständigen und Freiberuflern bei der Überwindung ihrer Krise weiterhelfen. Das ist außerordentlich bedauerlich“ so Niering.

 

Der kürzlich vorgelegte Referentenentwurf eines Restrukturierungsverfahrens (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG)), wird derzeit intensiv diskutiert. In ersten Reaktionen von Wirtschaftsverbänden und der Fachöffentlichkeit wird der Entwurf zwar grundsätzlich begrüßt, aber vor allem der Eingriff in die Rechte der Gläubiger sehr kritisch hinterfragt. Insbesondere wird die Möglichkeit kritisiert, im Rahmen des geplanten Restrukturierungsverfahrens, Verträge künftig auch gegen den Willen des Vertragspartners zu beenden. Damit könnte das Vertragsrisiko der betroffenen Gläubiger (z.B. Vermieter, Maschinenbauer, Lieferanten), erheblich zunehmen bis zu einem Punkt, an dem sie selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

 

Notwendig ist aus Sicht des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter gerade den von der Pandemie besonders betroffenen Soloselbständigen und Freiberuflern mit einem Recht auf selbständige Tätigkeit einen schnellen Neustart zu ermöglichen. Über ein vereinfachtes Insolvenzverfahren könnten sich die Betroffenen von ihren angelaufenen Schulden befreien, ihre vertraglichen Verpflichtungen neu ordnen – etwa durch die insolvenzrechtlich mögliche Kündigung von Arbeits- und Mietverträgen – und damit ihre „neue“ Selbständigkeit den pandemiebedingten Rahmenbedingungen anpassen. „Gerade die durch die Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmer brauchen dringend eine verlässliche Perspektive für eine nachhaltige Entschuldung und einen sofortigen Neustart. Dies dient letztendlich auch aufgebautes Know-how zu erhalten, um es nach Überwindung der Pandemie für das Wiederhochfahren der unternehmerischen Tätigkeit zu nutzen“ so Niering. Der VID hat hierzu am 30.09.2020 in der Anhörung des Rechtsausschusses konkrete Vorschläge** unterbreitet.

 

 


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