Insolvenzreport: Großinsolvenzen folgen Negativtrend der Gesamtwirtschaft
Nach einem deutlichen Rückgang zu Jahresbeginn sind die Insolvenzen von Großunternehmen im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal um 37 Prozent gestiegen.
Insgesamt registrierten die Insolvenzgerichte 37 Anträge. Im Vergleich zum Vorjahresquartal haben sich die Großinsolvenzen fast verdoppelt. Im zweiten Quartal 2022 mussten lediglich 19 Unternehmen den Gang zum Amtsgericht antreten, so der Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg. Als Großinsolvenzen zählt der Insolvenzreport Verfahren von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro.
„Mit
37 Anträgen liegt die Zahl nun um mehr als ein Drittel höher als in den
Quartalen vor der Pandemie. Inflation, Kaufzurückhaltung, hohe Energiepreise
und steigende Finanzierungskosten machen den Unternehmen zunehmend zu schaffen
und lassen sich kaum noch kompensieren. Zudem gibt es noch einen Nachholeffekt
aufgrund der umfangreichen staatlichen Hilfen in den vergangenen zwei Jahren,
die inzwischen ausgelaufen sind und viele Unternehmen am Leben hielten“,
erklärt Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt.
Vermehrt
umsatzstarke Unternehmen betroffen
Ungewöhnlich
hoch liegt die Zahl bei den Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100
Millionen Euro. Zwölf Unternehmensinsolvenzen bedeuten ein Plus von 140 Prozent
gegenüber den Monaten Januar bis März. Nur im zweiten Quartal 2020 gab es in
den vergangenen fünf Jahren mit 22 Fällen mehr Insolvenzen in dieser
Umsatzklasse.
Mit
dem Anstieg folgen nun auch die Großinsolvenzen der Entwicklung in der
Gesamtwirtschaft. Mit 3.506 Unternehmensinsolvenzen in den Monaten April bis
Juni zeigt der Trend mit einem Plus von einem Prozent zum fünften Mal in Folge
weiter nach oben. Im Vergleich zum Vorjahresquartal beträgt der Anstieg sogar
27,3 Prozent.
Cash
Conversion Cycle rückt in den Fokus
Die
prognostizierte Eintrübung der Wirtschaftsdaten sollte Unternehmer jetzt dazu
veranlassen, erstens die Unternehmenskosten an die zu erwartenden Umsätze
anzupassen und zweitens die Kapitalbindung über den Cash Conversion Cycle (CCC)
bzw. die Geldumschlagsdauer gering zu halten. Die Dauer des CCC beginnt mit der
Bezahlung der Materialbeschaffung, setzt sich über die Produktionszeit, die
Lagerung sowie die Auslieferung fort und endet mit dem Ausgleich der
Kundenrechnung für einen Auftrag oder ein Produkt.
„Die
Kunden zahlen vermehrt später. Noch vor einem Jahr war die Verlängerung des
Zahlungsziels aus der Sicht der Kapitalbindung kaum ein Problem. Angesichts der
aktuellen Zinserhöhungen sollten Unternehmenslenker die Finanzierungskosten
jedoch stärker in den Blick nehmen und die Wertschöpfungsprozesse regelmäßig
auch hinsichtlich der Durchlaufzeit optimieren. Damit werden gleichzeitig
weitere Kennzahlen wie das Working Capital, der operative Cashflow und das
Rating positiv beeinflusst“, rät Jonas Eckhardt.
Weiter
mehr Neustarts insolventer Unternehmen
Weiter aufwärts ging im zweiten Quartal 2023 die Zahl der Verfahrensausgänge. In 28 Insolvenzverfahren gab es eine Entscheidung für eine nachhaltige Fortführung oder Betriebseinstellung. Ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem ersten Quartal, in dem bereits 26 Verfahrenslösungen gefunden wurden. 75 Prozent der Entscheidungen (21 Fälle) zwischen April und Juni waren erfolgreich und die Unternehmen können nach der Insolvenz fortgeführt werden. Davon wurden 17 im Rahmen eines Asset Deals von einem Investor übernommen. Bei vier Unternehmen gaben die Gläubiger grünes Licht für die Sanierung über einen Insolvenzplan. Für rund ein Viertel besteht nur noch geringe Hoffnung. Fünf Unternehmen mussten den Geschäftsbetrieb einstellen und bei zwei Firmen wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt.
„Die
Zahl der Asset Deals wird in Zukunft zurückgehen. Der M&A-Markt zeigt in
diesem Jahr eine deutliche Zurückhaltung der Investoren und selbst risikoaffine
Finanzinvestoren finanzieren eher Carve-Out-Projekte als Unternehmen in
Sondersituationen“, weiß Eckhardt. Gerade das stark gestiegene Zinsniveau, die
unsichere Wirtschaftslage oder das Branchenumfeld selbst erschweren die
Refinanzierung einer Transaktion von Risikounternehmen.
Kurt
Zech (Zech Group): Die Talsohle im Bau ist noch lange nicht erreicht
Eine
Insolvenzwelle in der Baubranche befürchtet Kurt Zech, Vorstandsvorsitzender
der Zech Group, im Interview mit dem Insolvenzreport, da viele
Projektentwickler derzeit kaum Umsatz machen würden. Bei zu geringer
Kapitaldecke werden diese Firmen entweder vom Markt verschwinden oder in andere
Hände übergehen.
„Die
Frage ist aber: Was passiert mit den Projekten, die auf den Markt kommen? Gibt
es überhaupt eine generelle Kaufbereitschaft? Und wenn ja, zu welchen
Konditionen? Die Banken halten sich bei Neugeschäften sehr zurück. Und auf der
anderen Seite rechnen sich viele Objekte nicht mehr“, so Kurt Zech.
Über den Insolvenzreport „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenzreport alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzverfahren auswerten, konzentriert sich der Insolvenzreport auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenzreport als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.
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