Großinsolvenzen in 2021 um die Hälfte gesunken
Die Großunternehmen (Umsatz größer 10 Mio. Euro) sind gut durch das zweite Corona-Jahr gekommen.
Gegenüber dem Vorjahr sanken die Insolvenzanträge in 2021 um die Hälfte von 292 auf 152. In der Umsatzkategorie über 20 Mio. Euro fiel die Pleitezahl sogar um zwei Drittel, so die Insolvenz-Jahresanalyse der Unternehmensberatung Falkensteg. Das Ranking bei den Insolvenzen im Jahr 2021 führen die Zulieferer und Hersteller im Maschinen- und Anlagenbau (29 Insolvenzen) sowie der Automobilsektor (28) an. Hintergrund sind die andauernden Lieferengpässe, steigenden Rohstoff- und Energiepreise sowie die erforderlichen Transformationsprozesse in den beiden Branchen.
Der Druck auf die Spitzenreiter dürfte sogar noch steigen, da die Probleme weiterhin die Unternehmen belasten. Hinzu kommen in diesem Jahr noch die energieintensiven Industrien. Dennoch erwarten die Restrukturierungsexperten für die nächsten sechs Monate keinen großen Anstieg bei den Firmenpleiten. „Solange die Corona-Hilfsmaßnahmen weiterhin fließen und die Binnennachfrage anhält, bleibt es ruhig am Insolvenzmarkt. Von einer Welle sind wir weit entfernt“, ist sich Jonas Eckhardt, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg, sicher.
Bemerkenswert ist, dass es im vergangenen Jahr kaum große Unternehmen getroffen hat. Führten im Jahr davor noch Schwergewichte wie Galeria Karstadt Kaufhof, Wirecard und Esprit die Insolvenzstatistik an, stehen in diesem Jahr eher unbekannte Branchengrößen wie der Textilmaschinenbauer Saurer Spinning Solutions, das Nahverkehrsunternehmen Abellio und die Adler Modemärkte an der Spitze. Zusammengefasst kommen die Top-20-Insolvenzen gerade einmal auf ein Umsatzniveau von 4,1 Mrd. Euro. Im Vorjahr lag der Umsatz der zwanzig größten Insolvenzen bei 10,3 Milliarden Euro.
Obwohl die Automobilzulieferer die Statistik mit anführen, hat sich der Sektor besser entwickelt als erwartet. Noch 2020 schnellten die Pleiten fast um das Doppelte auf 56 in die Höhe. In 2021 fielen die Insolvenzanmeldungen wieder um die Hälfte auf 28 Fälle. Die Krise scheint sich nun aber auf die autonahen Branchen auszuweiten. In der Logistik meldeten zehn Unternehmen – und damit 67 Prozent mehr – eine Insolvenz an. Im Maschinen- und Anlagenbau sanken die Insolvenzen von 33 auf lediglich 29 ( -13 Prozent) und bei den Kunststoffherstellern von 16 auf 15 Fälle ( -7 Prozent). Damit liegen die beiden Branchen deutlich über dem Durchschnitt aller Großinsolvenzen, der bei einem Minus von 48 Prozent lag. Zudem liefern fast alle insolventen Kunststoffhersteller Teile für die Autoproduktion.
Preisexplosion bei Energiekosten
Die Liste könnte in diesen Industriezweigen allerdings deutlich länger werden. Wer sich kurzfristig im Großhandel mit Strom und Gas für dieses Jahr eindecken musste, erlebte eine Preisexplosion. Die Strompreise kletterten an der Leipziger EEX vor Weihnachten auf ein Rekordhoch von 282 Euro. Im Januar war die Megawattstunde noch für 74 Euro zu bekommen. Im Gashandel stieg der Preis sogar von 16 auf 141 Euro. Die energieintensiven Industrien wie Chemie, Metall- und Kunststoffhersteller, Papier, Baustoffe und Glas müssen in diesem Jahr deshalb deutlich kämpfen. „Vielfach können die steigenden Energiekosten nicht an die Kunden weitergegeben werden. Aufgrund der marktüblichen, dünnen Margen werden wir sicherlich einige Fälle sehen“, schätzt Jonas Eckhardt. Und auch einige rentable Mittelständler werden dabei sein, die sich im Energieeinkauf „verzockt“ und auf fallende Konditionen gesetzt haben.
Staatliche Hilfen sind süßes Gift
Trotz der sinkenden Jahresstatistik entspricht das Bild nicht dem realen Wirtschaftsleben, denn mit Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld und KfW-Krediten werden viele Firmen vom Staat gestützt. Rund 170 Mrd. Euro hat der Bund für diese Maßnahmen seit Beginn der Pandemie aufgewendet. Die meisten Wirtschaftshilfen sollen noch bis Ende März oder bis zum Sommer 2022 verlängert werden.
Damit überdecken die Maßnahmen wichtige Transformationen und einige „kranke“ Firmen. „Die Insolvenz hat eine wichtige bereinigende Funktion. Wessen Geschäftsmodel keine Abnehmer findet, den verdrängt der Markt oder der muss ausscheiden. Damit werden hohe Schäden bei Gläubigern und Mitarbeitern verhindert. Dieser Mechanismus ist aber seit zwei Jahren ausgesetzt“, erklärt Jonas Eckardt.
Ohne Rettungsweste schwimmen
Häufig nutzten die Unternehmen die staatlichen Kredite, um Verluste auszugleichen, anstatt in die Zukunft zu investieren. Die bisherigen Rettungsanker können aber schnell zum Bumerang werden. Die neue Virusvariante Omikron zieht die Coronakrise weiter in die Länge und lassen die Umsatzziele schmelzen. Somit werden die erzielten Margen die Kreditkosten nicht decken können. „Manche Branchen haben sich schon an das süße Gift gewöhnt. Die Probleme verschwinden jedoch nicht von selbst. Die Finanzverantwortlichen müssen sich deshalb mit der Refinanzierung, weiteren Kostenreduzierungen und mit dem Liquiditätsaufbau beschäftigen, anstatt nur Verluste zu überdecken. Wir werden ab Mitte des Jahres sehen, wer das New-Normal schon verinnerlicht hat und auch ohne Rettungsweste schwimmen kann“, meint Jonas Eckhardt.
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