07.12.2021 - Kategorie "Insolvenzgeschehen allgemein"

Experten sehen Anstieg der Restrukturierungsfälle im neuen Jahr

StaRUG statt Insolvenz?

Über 50 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass durch das StaRUG Insolvenzen vermieden werden können


Nicht nur wegen der anhaltenden Pandemie waren viele Branchen 2021 konjunkturell und strukturell stark herausgefordert - ob infolge von gestiegenen Rohstoffpreisen und gestörten Lieferketten, ob durch Klimawandel, Fachkräftemangel oder die unumgängliche Digitalisierung - all das belastet die Unternehmen zum Teil massiv. Die von vielen befürchtete Pleitewelle trat in diesem Jahr u.a. dank Staatshilfen und Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht ein, dennoch geben die Ergebnisse des jüngsten Restructuring Reports von Deloitte keinen Grund zur Entwarnung.

 

"Das Jahr 2021 hat für viele Restrukturierungsexperten einen unerwarteten Verlauf genommen", sagt Dr. Thomas C. Sittel, Managing Director im Corporate Finance Advisory bei Deloitte Corporate Finance. "Trotz wirtschaftlicher und konjunktureller Sorgen am Anfang des Jahres hat sich die deutsche Wirtschaft bislang als außerordentlich robust und widerstandsfähig erwiesen. Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen lag im Jahr 2020 und im ersten Halbjahr 2021 auf einem historischen Tiefstand, die zunächst befürchtete Restrukturierungs- und Insolvenzwelle blieb aus - nicht nur in Deutschland. Wobei hierzulande auch die Corona-Hilfen des Staates sowie die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April 2022 eine große Rolle spielen. Ein wichtiger Punkt hier ist das StaRUG, dessen Wirksamkeit sich jedoch erst noch erweisen muss."

 

Entsprechend beleuchtet der Bericht verschiedene Restrukturierungsthemen und fragt u.a. nach den 12-Monats-Erwartungen der 143 teilnehmenden Wirtschaftsexperten, die aus den Bereichen Finanzierung, Private Equity, Restrukturierung und Insolvenz kommen. 


Wichtige Fragen für die Branche werden angesprochen: Ist aufgrund der COVID-19-Pandemie mit einer Restrukturierungswelle zu rechnen, und wenn ja, wann tritt sie ein? Gibt es andere Gründe, die einen Anstieg von Restrukturierungen befürchten lassen, und welche Branchen werden im Fokus stehen? Die Einschätzung der Befragten ist deutlich: 94 Prozent gehen davon aus, dass die Anzahl der Restrukturierungsfälle in 2022 steigen wird. Als wesentliche Gründe werden die Auswirkungen der Pandemie bzw. die geopolitische Lage genannt. Die Befragung zeigt zudem, dass Megatrends wie Digitalisierung, Klimaveränderung und demografischer Wandel den Restrukturierungsbedarf von Unternehmen mittelfristig erhöhen werden.

 

Befürchtungen je nach Branche sehr unterschiedlich

Hinsichtlich der erwarteten Restrukturierungsfälle rücken drei Branchen in den Fokus: Deutliche konjunkturelle wie auch strukturelle Herausforderungen werden in der Automobilindustrie erwartet, bedingt durch hohen Investitionsbedarf, operative Schwächen und ein schwieriges Refinanzierungsumfeld. Hier wirkte die Pandemie als Brandbeschleuniger für eine Branche, die nicht zuletzt mit einem sich fundamental verändernden Markt sowie Post-Brexit-Umsatzeinbußen, Elektrifizierung und Dieselaffäre zu kämpfen hat. Hinzu kommen Beschaffungsthematik, Energie- und Logistikpreise. Rund die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Krise hier auch in den kommenden 48 Monaten anhalten wird und weitere wirtschaftliche Herausforderungen zu erwarten sind. Denn schon vor der COVID-19-Pandemie war die Nachfrage nach neuen PKWs rückläufig.

 

Auch in der Tourismusbranche und im (stationären) Handel erwarten die Studienteilnehmer einen signifikanten Anpassungsdruck der Geschäftsmodelle. Neben den offenkundigen Auswirkungen der Pandemie auf diese Branchen stehen beim Ladenhandel aber auch strukturelle Veränderungen aufgrund des sich seit Jahren ändernden Verbraucherverhaltens im Vordergrund. Hier sieht der Report dynamische Veränderungen des Verbraucherverhaltens als Challenge, aber auch als Chance. "Dieser Anpassungsdruck herrscht quer durch die Branchen und unterstreicht die umfassende Dringlichkeit der Digitalen Transformation, die gerade für alte, renommierte Unternehmen natürlich zäh und herausfordernd ist", so Sittel.

 

Der Report beleuchtet auch die Herausforderungen der Vorzeigeindustrie Maschinen- und Anlagenbau, wo technologische Veränderungen und Konsolidierungsdruck sowie Digitalisierung die Branche unter Druck setzen. Auch in der Logistik wird die Digitalisierung als langfristiger Treiber für Effizienz gesehen, auch im Gesundheitswesen, wo die Transformation das gesamte Ökosystem erfasst hat, nicht zuletzt befeuert von der Pandemie.

 

Restrukturierung zwischen Am-Leben-halten und StaRUG

Als mögliche Lösungsoptionen für Krisenunternehmen sehen die Studienteilnehmer eine deutliche Zunahme von M&A-Transaktionen und Abwicklungen im Vergleich zu operativen und finanziellen Restrukturierungen. Ein Grund hierfür mag die erwartete, erhöhte Komplexität von Restrukturierungen sein. Einen weiteren Grund nennt Sittel: "Zu beobachten ist derzeit eine zunehmende Anzahl von Stakeholdern, deren unterschiedliche Interessenslagen im Rahmen einer Restrukturierung schlecht miteinander vereinbar sein werden. Aber auch die Restrukturierungen selbst greifen oftmals zu kurz - weil eine erforderliche Transformation des Geschäftsmodells meist ausbleibt."

 

Sittel weiter: "Daher wird es für Unternehmen immer wichtiger, dass alle Optionen simultan analysiert und evaluiert werden, um eine kontrollierte und kosteneffiziente Lösung zu finden. Als neues Instrument wurde erst kürzlich das Gesetz über Stabilisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen (StaRUG) eingeführt, das eine Lücke zwischen freien Sanierungsverhandlungen und dem gerichtlichen Insolvenzverfahren schließen soll. Es dient einer frühzeitigen Restrukturierung von Krisenunternehmen und damit der Insolvenzvermeidung. Die Befragung zeigt hier ein geteiltes Bild: 50 Prozent rechnen mit einem leichten Rückgang der Insolvenzen infolge des Gesetzes. Rund ein Drittel geht davon aus, dass sich keine Veränderungen feststellen lassen werden. Dies legt den Schluss nahe, dass das neue Instrument den Werkzeugkasten erweitert hat, aber auch kein 'Game Changer' werden dürfte."



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