Becker Plastics saniert sich durch Schutzschirmverfahren
Kunststoffrohr-Hersteller wird seine Struktur nachhaltig anpassen - Produktion und Lieferung sind weiterhin gesichert.
Die Becker Plastics GmbH will sich im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens sanieren. Einem entsprechenden Antrag auf Anordnung des Schutzschirmverfahrens hat das Amtsgericht Bochum entsprochen und die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet. Beim Schutzschirmverfahren, ähnlich dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren, dessen sich beispielsweise General Motors im Jahr 2009 bedient hat, trägt die bisherige Geschäftsführung weiterhin die Verantwortung für alle Entscheidungen. Die Produktion und Lieferungen an die Kunden laufen während des Verfahrens ungehindert weiter. Das Unternehmen ist vollständig handlungsfähig.
Die Geschäftsführung um Thomas Finkewirth und Sascha Allissat wird bis zur Aufhebung des Verfahrens von Nils Averbeck unterstützt, der auf eine langjährige Sanierungserfahrung zurückblicken kann. Wirtschaftsjurist Averbeck kommt vom Düsseldorfer Beratungsunternehmen Buchalik Brömmekamp, das Becker Plastics juristisch und betriebswirtschaftlich während des Schutzschirmverfahrens begleitet.
Ursache für die wirtschaftliche Schieflage ist insbesondere der Preisverfall aufgrund von Überkapazitäten im Markt. Weiterhin entwickelt sich die Kunststoffrohr-Produktion zunehmend zum Massenmarkt. Wegen des hohen Qualitätsniveaus kann Becker Plastics gegen die Billigangebote, insbesondere aus dem Ausland, nicht konkurrieren. „Unsere Aufgabe ist es, Becker Plastics wieder profitabel aufzustellen. Innerhalb der anstehenden Sanierung werden wir unsere Struktur anpassen und uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren“, erklärt Geschäftsführer Sascha Allissat. Mit dieser Strukturanpassung ist ein Personalabbau unumgänglich. „In den nächsten Tagen werden wir das Sanierungskonzept den Arbeitnehmervertretern sowie der Gewerkschaft vorstellen und gemeinsam eine sozialverträgliche Lösung entwickeln“, ergänzt Allissat. Die rund 130 Mitarbeiter wurden über die aktuelle Entwicklung im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung umfangreich informiert. Die Löhne und Gehälter sind in den ersten drei Monaten des Verfahrens durch die Agentur für Arbeit gesichert.
Das Unternehmen kann im Schutzschirmverfahren die Sanierungsmaßnahmen in Eigenregie unter Aufsicht des Gerichtes sowie eines Sachwalters durchführen. Als vorläufige Sachwalterin hat das Amtsgericht Bochum Rechtsanwältin Dr. Anja Commandeur, Seniorpartnerin der Kanzlei Görg, bestellt. Das Schutzschirmverfahren wurde erst vor drei Jahren vom Gesetzgeber als nachhaltiges Sanierungsinstrument eingeführt. Die wichtigste Voraussetzung für das Verfahren ist, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Zudem muss ein Sachverständiger bescheinigen, dass die angestrebte Sanierung nicht aussichtslos ist. „Becker Plastics ist für das Verfahren sehr gut aufgestellt. Mit der Unterstützung der wichtigsten Kunden und Gläubiger sind wir überzeugt, das Unternehmen nachhaltig zu sanieren“, so Geschäftsführer Thomas Finkewirth.
Ebenso positiv zeigt sich die vorläufige Sachwalterin Dr. Anja Commandeur: „Ich konnte mir einen ersten Eindruck über das Unternehmen verschaffen. Das Unternehmen ist gut aufgestellt und ich sehe einer Fortführung und Sanierung positiv entgegen.“ Als vorläufige Sachwalterin hat Rechtsanwältin Dr. Commandeur sicherzustellen, dass die vorläufige Eigenverwaltung zu keinen Nachteilen für die Gläubiger oder zu Verfahrensverzögerungen führt.
Hintergrund: Was ist ein Schutzschirmverfahren (§270b InsO):
Seit dem 1. März 2012 lässt der Gesetzgeber ein neues Sanierungsverfahren, das sogenannte Schutzschirmverfahren, zu. Das schuldnerische Unternehmen hat bis zu drei Monate Zeit, unter einem gesetzlichen Schutzschirm und unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters einen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließend mit den Gläubigern umgesetzt werden kann. Gleichzeitig wird der Schuldner durch den Schutzschirm für diesen begrenzten Zeitraum dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger entzogen. Voraussetzung für die Einleitung eines solchen Schutzschirmverfahrens ist, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sondern nur eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, was durch eine Bescheinigung eines Sachverständigen dem Gericht nachgewiesen werden muss. Zusätzlich muss bescheinigt werden, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Im Schutzschirmverfahren bleibt die Geschäftsführung weiterhin im Amt und kann die Geschicke des Unternehmens weiter lenken. Ziel des Verfahrens ist es, das Unternehmen dem bisherigen Gesellschafterkreis zu erhalten und es nicht zu zerschlagen. Deshalb wird das Unternehmen über einen Sanierungsplan entschuldet. Regelmäßig gehen Unternehmen deutlich gestärkt aus diesem Verfahren hervor, denn die Passivseite der Bilanz wird durch Gläubigerverzichte erheblich gestärkt.
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